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Trauerst Du um ein Familienmitglied, das sich das Leben genommen hat?
Gemeinsam mit Gleichbetroffenen gelingt Dir ein Weiterleben ohne die geliebte Person. (Flyer als pdf)

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Was geschieht mit mir?
Traumatische Trauerreaktion nach plötzlichem Todesfall

Der Begriff der traumatischen Trauerreaktion wird für Trauerprozesse nach unerwarteten und plötzlichen Todesfällen verwendet (z.B. Verkehrsunfälle, Mord, plötzlicher Kindstod, Arbeitsunfälle, Naturkatastrophen). Wie andere Verluste durch einen Todesfall ist auch ein Verlust durch einen Suizid häufig überraschend und heftig und er kann bei der trauernden Person (Survivor) ein Trauma hervorrufen. Trauerreaktionen nach einem Tod durch Suizid haben viel mit denjenigen nach anderen unerwarteten und plötzlichen Todesfällen gemeinsam. Der Schmerz nach einem Verlust durch Suizid hat jedoch auch spezifische Merkmale:
  • Die Frage nach dem «Warum»: Hinterbliebene suchen zwangsläufig nach einem Grund für das Geschehene. Vielleicht erhoffen sie sich, dadurch in einer Welt, die plötzlich unberechenbar geworden ist, ein Gefühl der Kontrolle wiederherstellen zu können.
  • Erleichterung: Bei der Familie oder bei Freunden, welche vor dem Suizid über Jahre hinweg mit der psychischen Erkrankung einer geliebten Person gelebt haben, kann ein Gefühl der Erleichterung eintreten, da sie sich von der konstanten Sorge befreit fühlen.
  • Die Suche nach Schuldigen: Schuldzuweisungen können für manche Betroffene als erste Reaktion ein Weg sein, um zu verstehen, was geschehen ist.
  • Stigma und Isolation: Es ist nicht einfach, Witwe oder Witwer, Mutter oder Vater, Sohn oder Tochter einer Person zu sein, die sich das Leben genommen hat. Daher kann es zu einem schleichenden sozialen Ausschlussprozess der Survivors kommen. Das Leiden wird häufig geleugnet oder verdeckt, ist jedoch im Alltag der Betroffenen immer präsent.
  • Wut: Survivors fühlen sich von ihren Geliebten allein gelassen und empfinden häufig auch Wut gegenüber der Person, die sie verlassen hat. Wut ist eine natürliche Reaktion auf eine Verletzung. Es ist hilfreich, über diese Wut zu sprechen und einen Weg zu finden, um damit umzugehen.

Wenn der erste Schock nach einem Suizid abklingt – das ist häufig erst nach der Beerdigung oder um den Termin einer Feuerbestattung herum – folgt eine oft länger dauernde Phase, in der die Hinterbliebenen nicht mehr den Tod an sich hinterfragen, sondern nach möglichen Motiven des Suizides suchen. Es ist die Phase der nagenden Fragen wie «Warum hat er/sie sich getötet?», «Warum hat die verstorbene Person nie etwas über ihre Probleme gesagt?», «Warum hat sie nie um Hilfe gebeten?», «Warum hat sie keinen Abschiedsbrief hinterlassen?», «Warum hat sie sich in unserem Haus/unserer Wohnung getötet?», «Warum habe ich nichts gemerkt?». Auf all diese Fragen gibt es keine Antworten, da die Person, die sie geben könnte, tot ist. Dennoch ist es im Trauerprozess zentral, dass die Hinterbliebenen (Survivors) an den Punkt kommen, an dem sie das Gefühl haben, dass sie sich genug  lange mit dieser Frage beschäftigt haben. pastedGraphic.png

Trauer ist die normale Reaktion auf einen bedeutenden Verlust Trauerreaktionen zeigen sich nicht nur nach Todesfällen, sondern auch nach anderen bedeutenden Verlusten (z.B. Trennung, Scheidung, Verlust von Jugend, Gesundheit, Arbeitsplatz, Heimat usw.). Nicht jeder Todesfall löst zwingend einen Trauerprozess aus. Wird der Tod als Verlust empfunden, erleben Hinterbliebene eine Phase der Trauer. Wenn der oder die Verstorbene den Hinterbliebenen wenig bedeutet hat, kann auch die Trauerreaktion gering ausfallen. Diese Trauerdefinition hebt hervor, dass Trauer etwas Normales ist. Trauer ist keine Krankheit, keine Katastrophe, keine Fehlfunktion und kein Zeichen von psychischer oder charakterlicher Schwäche, sondern ein normaler, gesunder und psychohygienisch (für das seelische Wohlbefinden) notwendiger Prozess der Verarbeitung von einschneidenden Verlusten und Veränderungen. Bekannte Erscheinungsformen der Trauer: Veränderungen des psychischen Wohlbefindens (z.B. Empfindungen von Schmerz und Angst, depressive Verstimmung), mentale Veränderungen (z.B. Wahrnehmungsstörungen, verlangsamtes oder vereinfachtes bzw. magisches Denken), Veränderungen des körperlichen Wohlbefindens (z.B. Schlafstörungen, Herz-, Magen-Darm- oder Atemwegbeschwerden etc.) und  Verhaltensänderungen (z.B. Erstarrung oder Ruhelosigkeit, Verwahrlosung, Alkohol- oder Tablettenkonsum) bzw. des Sozialverhaltens (z.B. zeitweiliger Rückzug von der Erwerbstätigkeit, Rückzug aus dem sozialen Leben oder besondere Anhänglichkeit, Abhängigkeitswünsche, Aggressivität, Teilnahmslosigkeit usw.)

Die meisten dieser Fragen beziehen sich auf die Verletzung und Erniedrigung, welche die Hinterbliebenen durch den Suizid erleben (z.B. «Wie kann er/sie mir so etwas antun?»). Unter dem Strich zeigen die Antworten auf solche schwer bzw. nicht zu beantwortenden Fragen nur Defizite auf: Bei sich selbst, in der Beziehung zur verstorbenen Person, in der Beziehung zum sozialen Umfeld usw. Dadurch, dass Hinterbliebene einen Suizid in der Regel zu verheimlichen und vertuschen versuchen, ist oft auch kein Gespräch mit anderen über die Warum-Fragen möglich. Die Scham und eigene defizitäre Gefühle, versagt und nicht geholfen zu haben, nichts gemerkt zu haben, Suizidankündigungen nicht ernst genommen zu haben oder Depressionen bagatellisiert zu haben, treibt Hinterbliebene oft in die Isolation. Kann der Suizid nicht vertuscht werden, weil z.B. Nachbarn, Familienmitglieder und/oder Freunde die polizeilichen Ermittlungen beobachtet haben oder man doch gewagt hat, die wahre Todesursache auszusprechen, dann brechen auch noch die «Warum-Fragen» oder Schuldzuweisungen Dritter über die Hinterbliebenen herein. Hinterbliebene sehen sich dann mit ihren eigenen Schuldgefühlen und auch den Schuldzuweisungen durch Dritte konfrontiert. Oft wird ihnen nicht kondoliert, Nachbarn meiden übliche Kontakte, wechseln Strassenseiten, kommen nicht zur Beerdigung usw. Auch diese unsensiblen Verhaltensweisen treiben Hinterbliebene in einen Teufelskreis von Schuldzuweisung und Isolation. Viele fühlen sich stigmatisiert, diskriminiert und zutiefst in ihrer Würde verletzt. Untersuchungen mit Personen, die einen Suizidversuch überlebt haben, zeigen, dass Suizidenten eine andere Wahrnehmung haben. Beim Suizid geht es nur um sie selbst. Denken sie überhaupt daran, wie es den anderen nach dem Suizid gehen könnte, so stellen sie sich vor, dass es diesen besser geht, wenn sie nicht mehr leben. Neben der Schuldproblematik, die Hinterbliebene lange (oft ein Leben lang) beschäftigt und an der sie auch menschlich zerbrechen können, erlebt man in der Beratungspraxis auch häufig die Angst der Hinterbliebenen davor, selbst nichts wert zu sein, da sie verlassen wurden und es nicht wert waren, dass die Verstorbenen für sie am Leben blieben. Als weitere und in unserem Kulturkreis schwierige Emotionen erleben Hinterbliebene oft Wut und Hass gegenüber der verstorbenen Person, da diese sie verlassen, verraten, verletzt hat oder ihnen misstraut hat. Es gibt wenig Möglichkeiten, Wut und Hass in einer Form, die gesellschaftlich geduldet ist, auszudrücken. Am Toten kann man diese Gefühle nicht mehr auslassen. Also wohin damit? Manchmal sind Survivors auch erleichtert darüber, dass jemand «es» jetzt «endlich» (nach so vielen Versuchen) geschafft hat. Ein Suizid kann das Leben der Hinterbliebenen auch entlasten. Über dieses Gefühl wird noch seltener gesprochen als über Angst, Schuld und Wut. Diese Phase lässt sich ganz allgemein als Überlebensphase charakterisieren, in welcher die Krise mittels Überlebensstrategien bewältigt wird. In der Trauerbegleitung, die von Hinterbliebenen in dieser Akutphase selten in Anspruch genommen wird, sollte man Raum lassen für alle Gefühle, die in dieser chaotischen Situation auftauchen. Auch wenn zum 1000. Mal die gleichen Fragen von den gleichen Menschen kommen, sollte man diese nicht unterdrücken und/oder bagatellisieren. Sie sind wichtig für Hinterbliebene, damit sie sich die Gewissheit verschaffen können, dass sie selbst noch am Leben sind und Gefühle haben. Die Quantität und Qualität dieser Fragen macht einen Unterschied deutlich zwischen Trauernden nach einem Suizid und anderen Trauernden. Durch aktives Zuhören kommen die meisten Hinterbliebenen auch unbeschadet aus der Fragenspirale heraus. In dieser Phase wird die Basis für ein Weiterleben nach einem Suizid und die Qualität dieses Weiterlebens gelegt.

Der Flyer (pdf) informiert über unsere Arbeit: